Sammler und Sammlungen
Teil I: Probleme


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John Niemann

John Niemann

(*19.04.1905 Frankfurt/M. †22.07.1990 Darmstadt)

Eine unheimliche Gründlichkeit und Ausdauer entwickelte auch der deutsche Chemiker Dr. John Niemann bei der Anlage und Fortführung seiner weltberühmten Hilfsmatt-Sammlung, die sich ab 1947 rapide entwickelte: 1989 war die Sammlung auf etwa 65.000 h#-Aufgaben angewachsen (auf ca. 85.000 Karteikarten geordnet – sein Ordnungsprinzip verursachte eine Vielzahl von Dubletten, also Probleme, die in mehreren Kategorien gleichzeitig geführt wurden). Neben zahlreichen Aufsätzen in der Fachpresse resultierten aus der akribischen Beschäftigung mit dieser Sammlung zwei Buchpublikationen Niemanns: das wegweisende Echo im Hilfsmatt (1950) [auch als e-book (11 MB) verfügbar] und das äußerst erfolgreiche Wenigsteiner im Hilfsmatt (1977) – dieses löste eine regelrechte Flut in der Wenigsteiner-Produktion aus.

 

John Niemann
375 Schachmatt
15.06.1947 Blatt 33
Deutscher Märchenschachring
1. Preis

Hilfsmatt in 4 Zügen

1.Sc4+ Sa4 2.Sa5 Lxb8
3.Sb7 Ld6 4.0-0-0 Sb6#

Ein Rochadeproblem mit switchbacks
von wL und wS.

John Niemann H#-Problem

 


Nach dem Tode Niemanns wurde die Sammlung nur kurzfristig bei Franz Pachl (Ludwigshafen) zwischengelagert, sie wanderte anschließend zu Hans Gruber (Bobingen), der allerdings aus Zeitgründen außerstande war, die Sammlung weiter aktuell zu halten. Rettung zeichnete sich 1996 mit dem Projekt einer Problemschachdatenbank (= PDB) ab: Gerd Wilts (München) hatte eine Datenbank für Retro-Aufgaben programmiert, die nachfolgend auch für die Erfassung von h#-Aufgaben ertüchtigt wurde. Hans-Peter Reich (Kaarst; heute Neuss) konnte als Projektleiter für die Einbindung der Hilfsmatts eine Reihe von Mitstreitern gewinnen, und bereits 1999 erschien eine erste Distribution auf CD mit etwa 58.000 Hilfsmatts und fast 9.000 Retros. Inzwischen ist die PDB auf einem Internet-Server öffentlich zugänglich und durch sukzessive Updates stark erweitert worden. Zur Zeit (Mai 2021) enthält die Datenbank > 447.800 Aufgaben, der aktuelle Bestand und die Verteilung über die diversen Genres (h#, 2#, 3#, etc.) kann jederzeit über die online-Statistik eingesehen werden. Die PDB hat sich kontinuierlich zu einem riesigen Pool für alle Arten von Schachproblemen entwickelt.

In diesem Kontext muss auch die umfangreiche Problem-Datenbank des englischen Problemisten Brian D. Stephenson (Sheffield) erwähnt werden, die dieser seit etwa 1990 auf- und ausgebaut hat: aktuell (Mai 2021) sind > 223.100 Probleme in dieser Meson – Chess Problem Database, wie er sie nennt, gespeichert. Der Schwerpunkt seiner Sammlung liegt bei orthodoxen Zweizügern und Dreizügern, der Rest verteilt sich im Wesentlichen auf #4, #5 und S#3, genaue Angaben hierzu finden Sie auf seiner Website - dort sind auch weitere Statistiken einsehbar (aufgeschlüsselt nach Forderungen, Quellen, Komponisten, etc.). Link zur allgemeinen Suchmaske: www.bstephen.me.uk/meson/...

Weitere Sammlungen wurde ab 1995 sukzessive von André Minost (Paris) als Loseblattwerke publiziert (Hilfsmatts, Selbstmatt-Längstzüger, Serienzüger; siehe Quellenverzeichnis); allerdings ist deren praktische Bedeutung durch die rasante Entwicklung der PDB vergleichsweise gering.

Ein erstaunliches Phänomen war Fritz Schonert (*29.05.1904 Mühlhausen/ Vogtland †15.03.1996 Meerane): nebenher ein beachtlich starker Schachspieler (zweimaliger Stadtmeister von Meerane in den 50er Jahren) und Fernschachspieler, war seine Domäne das Problemschach – von 1929 bis zu seinem Ende war er als sehr starker Löser in diversen Schach- und Problemzeitschriften bekannt. Über drei Jahrzehnte hat er eine Aufgabensammlung von orthodoxen Problemen aufgebaut (unterteilt in Zwei-, Drei- und Mehrzüger), bis ihn die Raumnot in seiner Wohnung Anfang der 90er Jahre zwang, in seinem Sammeleifer einzuhalten – er hatte an die 60-65.000 Aufgaben (davon etwa 7.500 Miniaturen) angehäuft, die auf gestempelten Diagrammen in großen Kästen archiviert waren. Seine Sammlung hat er vorzugsweise mit Aufgaben aus alten Tageszeitungen, Büchern und alten Jahrgängen seltener Schachzeitschriften bestückt, weshalb sie auch eine besondere Wertigkeit besitzt.

Aber das Ende seiner Sammeltätigkeit war für Fritz Schonert nur ein neuer Anfang, er widmete sich fortan der Schachkomposition – zu diesem Zeitpunkt hatte er schon die Mitte seines 9. Lebensjahrzehnts überschritten! – und er erreichte auch auf diesem Gebiet ein hohes Niveau, wie die nebenstehende Hilfsmatt-Miniatur zeigt - sie dürfte eins seiner letzten publizierten Stücke sein.
Seine Problemsammlung befindet sich heute in den Händen von Mirko Degenkolbe (Meerane), der sie allerdings nicht weiterführen kann. Ein Teil der Sammlung (ca. 45.000 direkte Mattaufgaben) wurde in digitalisierter Form an Dmitri Turewski gegeben, der sie in seine online-Datenbank eingepflegt hat, siehe www.yacpdb.org/...
Fritz Schonert
516 Schach I 1996


Fritz Schonert  H#4

Hilfsmatt in 4 Zügen
b) wS --> h3


a) 1.Tf3! Sc4 2.Tc3 Kf2 3.Kd3 Kf3 4.Ld4 Sb2#
b) 1.Td6! Kf3 2.Kd3 Sg5 3.Lc3 Sf7 4.Td4 Se5#






Wilhelm Maßmann

Wilhelm Maßmann (*6.07.1895
†17.12.1974 Kiel)


Foto: Peter Maßmann, 1965
(mit freundlicher Genehmigung der SHLB Kiel)
Die kleine Form der Miniatur (Problem mit maximal 7 Steinen) und des Wenigsteiners (Problem mit maximal 4 Steinen) hat immer einen besonderen Reiz auf Komponisten und Sammler ausgeübt und es existiert eine stattliche Bibliographie zu diesen Aufgabenarten. Eine große Miniaturensammlung wurde seinerzeit durch den Kieler Problemkomponisten Dr. Wilhelm Maßmann aufgebaut, Unterstützung erfuhr er hierbei durch Bodo von Dehn (†) und Kay Soltsien; der letztere hat die "ursprüngliche" Maßmann-Sammlung, die noch auf W. Maßmanns Vater*) zurückgeht, Anfang der 60er Jahre auf Karteikarten übertragen. Beim Tode Maßmanns umfasste die Sammlung etwa 18.000 Aufgaben, sie ging (zunächst) in den Besitz der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek (SHLB Kiel) über.


*) Peter Asmus Maßmann (* 01.08.1886 Oldenburg/Holst. † 11.04.1936 Preetz) hinterließ seinem Sohn Wilhelm M. eine systematisch geordnete und katalogisierte Miniaturensammlung von über 9.000 Stück.


W. Maßmann
Neue Leipziger Zeitung 1935
2. Preis


Massmann-Miniatur
Matt in 3 Zügen

1.Se3? Ld7, 1.Se7? Lc2
1.Tg2! (dr. 2.Sg6+) Lc2 2.Se3
1... Le8 2.Se7

Doppelrömer mit nur 6 Steinen,
eine klassische Miniatur.


W. Maßmann

Wilhelm Maßmann


Die oben erwähnte "Primär-Sammlung" Peter Maßmanns, die auf DIN A5-Blättern erfasst und in Ordnern abgelegt war, wurde um 1963 von dem bedeutenden Miniaturen-Spezialisten Dr. Werner Speckmann (*21.08.1913 Dortmund †23.02.2001 Hamm) übernommen und vor allem im Bereich der Zweizüger-Miniaturen erheblich erweitert. Diese ausgebaute Maßmann-Sammlung befindet sich heute in den Händen des (2.) Schwalbe-Vorsitzenden Günter Büsing (München) [6 Ordner = ca. 2000-2500 Zweizüger; 22 Ordner drei- und mehrzügige Miniaturen; bei einem dritten Teil (Zugwechselaufgaben) ist die Herkunft – Maßmann oder Speckmann – nicht geklärt].



Eine Riesen-Sammlung von Miniaturen besaß auch Wolfgang Alexander Bruder (Dossenheim), Herausgeber der Zeitschrift Problem-Forum (seit 2000) und Referent für Problemschach beim Badischen Schachverband. Nachdem die Sammlung durch den Bestand der Maßmann'schen Sammlung ergänzt worden war, umfasste sie über 40.000 Aufgaben (nach eine Meldung in der Schwalbe, II 1996). Ende 2000 präzisierte Bruder selbst in seiner Zeitschrift: "Anfang der achtziger Jahre lernte ich den Miniaturen-Spezialisten Klaus-Peter Zuncke kennen. Ich war von diesem Genre derart fasziniert, dass ich begann, meine eigene Miniaturensammlung aufzubauen. Mittlerweise haben wir unsere beiden Sammlungen vereint und führen sie gemeinsam weiter. Im Moment können wir auf 43149 katalogisierte Miniaturen verweisen." (Problem-Forum, Weihnachten 2000) Zu einem späteren Zeitpunkt haben sich die Wege der beiden Sammler wieder getrennt, Zuncke ist dann im Jahre 2007 mit nur 53 Jahren verstorben.



Die wohl weltweit größte Miniaturensammlung wurde von dem Miniaturen-Liebhaber Klaus-Peter Zuncke (*9.03.1954  †15.11.2007, Erfurt) aufgebaut. Bereits in den 70er Jahren hatte er mit dem Sammeln begonnen, Michael Schlosser (Chemnitz) hat anlässlich des Gedenkturniers zu Ehren des Verstorbenen über dessen Sammlung berichtet:



Klaus-Peter Zuncke

(Foto: Wikimedia Commons)


"Seine Sammlung orthodoxer Miniaturen hat Zuncke anfangs auf Karteikarten, später mit dem eigens für diesen Zweck entwickelten BASIC-Programm 'Bobo' verwaltet. Die Daten wurden zunächst auf einem C64 verarbeitet und später dann auf heute übliche PCs portiert. In den letzten Jahren wurden sie von ihm noch einmal umgestellt und stehen jetzt in einem Schachpartieformat für interessierte Schachfreunde zur Verfügung.
Die Miniaturensammlung bestand am 15. November 2007 aus etwa 61.000 Aufgaben. In ihr sind frühere Sammlungen integriert, wie zum Beispiel die Karteien von Gerhard Kaiser, Pehr Henrik Törngren und große Teile der Sammlung Maßmann. Durch Kooperation mit Sammlern wie Antipow, Bruder, zeitweilig auch Koschakin und Smirnow, durch seine Besuche in der Nationalbibliothek in Prag und in der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek Kiel sowie in letzter Zeit durch systematische Auswertung alter Quellen im Internet hat Zuncke für einen Großteil seines Bestandes relativ exakte Quellenangaben sichern können.
Bereits seit längerem hatte er sich mit dem Gedanken befasst, irgendwann in ferner Zukunft seine Sammlung allen Schachfreunden im Internet zugänglich zu machen. Mit seiner letzten Umstellung der Sammlung hatte Zuncke selbst noch die Voraussetzung geschaffen, dass dieses Ziel bereits heute realisiert ist. Die Wiki von Dmitri Turewski hat sie wie viele andere Sammlungen bereits integriert." (Die Schwalbe, August 2009, S. 191)
In den nächsten Monaten soll die Zuncke-Sammlung ebenfalls in die PDB gelangen. (Okt. 2009)




Eine große Sammlung orthodoxer Miniaturen besitzt auch Wladimir Koschakin (Magadan, Russland), sie soll 44.000 Aufgaben enthalten. Da mir keine weiteren Details zu dieser Sammlung vorliegen, muss ich es bei diesem kurzen Hinweis bewenden lassen.






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